Definition

Eine Rhinophonie liegt dann vor, wenn beim Sprechen zu viel (offenes Näseln – Rhinophonia aperta) oder zu wenig (geschlossenes Näseln – Rhinophonia clausa) Luft und Stimmklang durch die Nase strömen. Zudem gibt es auch die Form des gemischten Näselns (Rhinophonia mixta).

Bis auf die drei Laute „m, n, ng“ sind alle deutschen Sprachlaute orale Laute; das heißt, dass für deren Lautbildung die Luft ausschließlich durch den Mund strömen muss. Bei den Lauten „m, n, ng“, den Nasalen, gehen der Luftstrom sowie die Stimmresonanz durch die Nase.

Verantwortlich für diese klare Luftstromlenkung ist das Gaumensegel („Velum“). Es ist die „weiche“ muskuläre Struktur, die sich nach hinten an den harten Gaumen anschließt und im sog. „Zäpfchen“ endet.

Dieses Gaumensegel ist in der Lage, sich anzuheben und zu spannen und sich dadurch an die Rachenrückwand anzulegen. Wenn dies geschieht, ist der Luftweg durch die Nase nicht möglich, und die Luft strömt durch den Mund.

Während der Artikulation der Laute „m, n, ng“ und während der Nasenatmung ist das Gaumensegel nicht in Aktion. Es lässt den Luftweg durch den Nasenraum zu.

 

Offenes Näseln (Rhinophonia aperta):

Beim offenen Näseln strömen auch während der oral zu bildenden Laute Luft und Stimmklang durch die Nase. Infolge dessen klingt das Sprechen sehr undeutlich. Die Vokale erhalten einen näselnden Klang, für die Fließlaute (s, sch, ch1, f, w, j, z) strömt zu wenig Luft durch den Mund, und für die „Sprengung“ bei den Explosivlauten (b, p, d, t, g, k)  reicht der Luftdruck, der im Mund aufgebaut werden muss, aufgrund des hohen Luftverlustes durch die Nase nicht aus, so dass es hier zu sog. „Nasendurchschlägen“ kommt.

Die Patienten bauen bewusst und unbewusst Kompensationsversuche auf. Einige dieser Kompensationen sind so aufwendig, dass sie nicht als ökonomisch angesehen werden können. In diesem Fall müssen die Fehlkompensationen abgebaut und günstigere Verhaltensweisen erlernt werden.

Es gibt mehrere Ursachen für offenes Näseln. Die häufigsten sind:

 

·        Gaumensegel-Lähmung:
Bei einer Gaumensegel-Lähmung ist der das Gaumensegel versorgende Nerv oder das zugehörige Zentrum im Gehirn geschädigt, traumatisiert oder gereizt. Die Ursachen für eine Gaumensegellähmung sind sehr vielfältig. Je nach Schädigungsort tritt die Störung ein- oder beidseitig auf.
Durch die Lähmung kann sich das Gaumensegel nicht mehr anheben und spannen, so dass  der Abschluss zwischen Gaumensegel und Rachenrückwand nicht gewährleistet wird.

Außer der sehr verwaschenen bis nahezu unverständlichen Sprechweise fällt ein hoher Luftverbrauch beim Sprechen auf. Zudem können Leistungen, die eine Luftstromlenkung durch den Mund benötigen (z.B. pusten, pfeifen,...), nicht mehr erfüllt werden.
Da das Gaumensegel auch dafür verantwortlich ist, sich während des Schluckaktes verlässlich anzuheben, um ein Eindringen der Nahrung in die Nase zu verhindern, kommt es bei einer Gaumensegellähmung nicht selten genau zu diesem Phänomen: Während oder nach des Essens können Nahrungsanteile aus der Nase austreten.

 

·        Zu großer Abstand zwischen Gaumensegel und Rachenrückwand:

Es kann vorkommen, dass von Geburt an das Gaumensegel zu kurz bzw. der Abstand zwischen der Rachenrückwand und dem Gaumensegel zu groß ist.
Auch in diesem Fall kommt es zu offenem Näseln. Das Gaumensegel ist zwar in der Lage, sich anzuheben und zu spannen, dennoch bleibt ein Spalt frei, durch den Luft ungewollt durch die Nase entweichen kann.

 

·        funktionelle muskuläre Gaumensegelschwäche:
Beim Auftreten einer muskulären Gaumensegelschwäche hebt und spannt sich das Velum nicht ausreichend, weil die Muskeln nicht adäquat arbeiten, obwohl sie organisch gesehen intakt sind.
Eine solche Gaumensegelschwäche geht häufig mit einer allgemeinen Hypotonie (Minderspannung der Muskeln) einher.
Nicht selten fällt dies erstmals nach einer erfolgten Gaumenmandel-Entfernung (Tonsillektomie) auf: So lange die großen, angeschwollenen Mandeln sich noch unterhalb des Gaumensegels befanden, wurde das Velum durch die Mandeln passiv nach oben gedrückt. Eine aktive Anhebung des Velums war nur bedingt notwendig. Dadurch wurde das Gaumensegel unzureichend trainiert.

Oftmals fällt das Näseln auch erstmals nach einer Polypen-Entfernung (Adenotomie) auf. Solange diese Wucherungen im Nasenrachenraum ein zu starkes Ausströmen von Luft durch die Nase verhindert haben, traten keine Näsel-Symptome auf, obwohl auch zu dieser Zeit bereits eine muskuläre Gaumensegelschwäche bestanden hat.

 

·        Spaltbildungen
Bei den angeborenen Spaltbildungen kam es während der ersten Schwangerschaftswochen zu einer Störung des Zusammenwachsens von Strukturen der rechten und der linken Körperhälfte. So kann es je nach Ausprägung zu Spalten in Lippe, Kiefer, Gaumen und Gaumensegel kommen. 
Sind Gaumen und Gaumensegel betroffen, so sind die knöchernen Strukturen sowie die Muskeln der rechten und linken Gaumenseite nicht miteinander verbunden. So bleibt eine Spalte im Gaumen, so dass Mund- und Nasenrachenraum nicht voneinander getrennt sind. Durch die Spalte in den Muskeln ist der Hebe- und Spann-Mechanismus des Velums aufgehoben.
Zwar werden Spaltbildungen operativ versorgt, und die Spalte wird geschlossen, doch die Funktion des Gaumensegels muss anschließend angebahnt und trainiert werden.

Außer den sichtbaren Spaltbildungen gibt es auch die Form der submucösen (unter der Schleimhaut liegenden) Gaumenspalte. In diesem Fall ist von außen kaum eine Spalte zu erkennen, aber die Muskeln über der Gaumenschleimhaut sind nicht miteinander verbunden. Auch in diesem Fall kann das Gaumensegel nicht effektiv arbeiten, und es kommt zu offenem Näseln.

 

·        Verletzungen des Gaumensegels:
Verletzungen des Gaumensegels treten insbesondere nach Operationen im Rachenbereich auf.

 

·        Innenohrschwerhörigkeit:

Bei Patienten mit Innenohrschwerhörigkeit tritt fast immer offenes Näseln auf, da diese Patienten versuchen, durch die verstärkte Nasenresonanz den für sie selbst wahrnehmbaren Klang zu verstärken. Die Nasenresonanz ist außerdem besser spürbar.

 

Geschlossenes Näseln (Rhinophonia clausa):

Beim geschlossenen Näseln kommt es im Nasenraum zu einer Verengung des Luftweges. So kann nicht genügend Luft durch die Nase strömen. Die nasalen Laute „m, n, ng“ klingen „verstopft“.
Auch bei den anderen (oralen) Lauten ist im Normalfall ein geringer nasaler Resonanzanteil vorhanden, der unter anderem für Brillanz im Klang sorgt. Diese Nasenresonanz ist beim geschlossenen Näseln nicht vorhanden. Der Stimmklang ist dumpf und farblos.

Geschlossenes Näseln geht fast immer mit erschwerter Nasenatmung einher.

Ursachen für ein geschlossenes Näseln sind unter anderem:

·        Nasenscheidewand-Verbiegung (Septumdeviation):

·        Schwellung der Nasenmuscheln (allergisch oder entzündlich bedingt)

·        Polypen (hyperplastische Rachenmandeln)

·        Verwachsungen oder Narbenbildungen im Nasenraum (nach Operationen)

·        Tumoren im Nasenraum.

Behandlung

Sobald organische Ursachen für das Näseln bestehen, erfolgen in der Regel medikamentöse und/oder operative Maßnahmen.
Beim offenen Näseln wird logopädisch eine Funktionsverbesserung des Gaumensegels durch spezielle Kräftigungsübungen sowie eine verbesserte Luftstromlenkung und –dosierung durch Wahrnehmungsübungen angestrebt.
Eine verbesserte Hebung und Spannung des Gaumensegels wird meist durch ganzkörperliche, spannungsaufbauende Übungen erzielt, die im Zusammenhang mit Sprech- und Stimmübungen durchgeführt werden.
Je nach Ursache des offenen Näselns ist das Ziel die Normalisierung der oralen und nasalen Luft- und Resonanzlenkung oder aber die Verbesserung im Umgang mit den vorhandenen Gegebenheiten.
Beim geschlossenen Näseln beschränkt sich die logopädische Behandlung auf Wahrnehmungsübungen und Klangübungen zur Verstärkung der nasalen Resonanz.

Mehr zum Thema

Mehr zum Thema „Näseln (Rhinophonie)“ entnehmen Sie bitte den Literatur-Hinweisen sowie den angegebenen Links.